Kurden-Referendum im Irak Große Mehrheit für Unabhängigkeit deutet sich an

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Roji Kurd: Nach Jahrzehnten der Repression und der Verfolgung wollen die Kurden Fakten schaffen – zumindest auf einem Teil ihres traditionellen Siedlungsgebietes. Im Nordirak und auch in Nordsyrien sehen sie sich auf der Gewinnerspur. So haben sie im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in beiden Ländern viele Opfer gebracht, aber auch grosse Gebietsgewinne gemacht. Im Irak kontrollieren die Peschmerga-Kämpfer heute 70 Prozent der sogenannten umstrittenen Gebiete, auf welche sowohl die Regionalregierung in Erbil wie auch die Zentralregierung in Bagdad Anspruch erheben – und zu denen auch die Stadt Kirkuk gehört: Obwohl in der Erdölmetropole viele Araber, Turkmenen und andere Minderheiten leben, weht hier seit 2014 neben der irakischen die Sonnenflagge der Kurden. Diese wollen ein historisches Unrecht rückgängig machen. Denn Saddam Hussein hatte einst gezielt kurdische Familien aus Kirkuk vertrieben und sunnitische Araber zwangsangesiedelt. Inzwischen sind Zehntausende Kurden in ihr «kurdisches Jerusalem» zurückgekehrt.

war gibt es auch innerhalb der Kurden Gegenstimmen, viele verweisen aber darauf, dass sie lange von der Zentralregierung unterdrückt und bekämpft worden seien. Deshalb wünschen sie sich die Unabhängigkeit. Kurden-Präsident Massud Barsani hatte die umstrittene Abstimmung am Sonntag verteidigt und erklärt, die Partnerschaft mit Bagdad sei gescheitert. Der Türkei und Iran versicherte er, ein Stabilitätsfaktor in der Region zu sein. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer seien bereit, auf jeden Angriff zu reagieren.

Es gibt viele Antworten auf die «kurdische Frage», doch das türkische Parlament entschied sich vor kurzem für die schlichteste. Es entschied, die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der grössten Minderheit im Land einfach zu negieren. Wieder einmal.

Mit den Stimmen der islamistischen Regierungspartei AKP und der rechtsextremen MHP wurde beschlossen, die Begriffe «Kurdistan», «kurdische Regionen», «Armenier-Genozid» und einige andere unbehagliche Wörter auf den Index zu setzen. Abgeordneten, die sie in den Mund nehmen, droht laut Gesetz eine Geldstrafe oder der Ausschluss aus dem Parlament.

ie ersten Auszählungen deuten laut der Kommission an, dass mehr als 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit gestimmt haben. Die vorläufige Wahlbeteiligung lag bei mehr als 72 Prozent, wie die Kommission weiter mitteilte. Das endgültige Ergebnis will sie innerhalb von drei Tagen verkünden.

Erdogan drohte außerdem mit einer militärischen Intervention im Nordirak nach dem Vorbild des türkischen Einmarsches in Syrien. Das Referendum nannte er „null und nichtig“. Nach der Schließung der Wahllokale führte die Türkei gemeinsam mit der irakischen Armee eine Militärübung an der Grenze zwischen den beiden Ländern durch. Die türkische Armee hatte das Manöver bereits am Montag vergangener Woche begonnen. Nach Angaben der Streitkräfte markiert die gemeinsame Übung mit den irakischen Truppen die dritte Phase des Manövers.

Der Nachbar Iran schloss nach dem Luftraum offiziellen Angaben zufolge auch die Landgrenze zu den Kurden-Gebieten. Allerdings gab es unterschiedliche Berichte dazu, ob ein Grenzübergang weiterhin geöffnet blieb. Die Türkei und Iran fürchten Auswirkungen auf die Autonomiebestrebungen ihrer eigenen kurdischen Minderheiten.

Nach dem Referendum feierten die Kurden ausgelassen auf den Straßen. Durch die kurdische Hauptstadt Erbil fuhren hupende Autos, teilweise brach der Verkehr zusammen. Menschen tanzten auf den Bürgersteigen und schwenkten rot-weiß-grüne kurdische Fahnen. Immer wieder stieg Feuerwerk auf, Freudenschüsse waren zu hören.

Die irakische Zentralregierung hatte die Abstimmung als nicht verfassungsgemäß verurteilt. Vize-Präsident Nuri al-Maliki sagte, „das Referendum sei eine Kriegserklärung an die Einheit des irakischen Volks“. Iraks Ministerpräsident Haidar al-Abadi will das kurdische Unabhängigkeitsreferendum nicht anerkennen. Er werde sich mit dem Ergebnis nicht beschäftigen, sagte Al-Abadi, wie die Nachrichtenseite Al-Sumaria meldete. Stattdessen wolle er die Maßnahmen gegen diejenigen verschärfen, die für „dieses Chaos und diese Zwietracht“ verantwortlich seien.

Von: Helmet Maroufi

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