Vor 25 Jahren erschütterten die Mykonos-Morde Deutschland

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Berlin, 17. September 1992. In dem griechischen Restaurant „Mykonos“ treffen sich Dr. Sadegh Scharafkandi und seine Begleiter und Freunde nach dem Kongress „Sozialistische Internationale“ mit Exiliranern zum politischen Gedankenaustausch. Gegen 23 Uhr stürmen zwei von Iran beauftragte Maskierte das Restaurant und schießen auf die Männer. Scharafkandi und seine Begleiter, der Europavertreter der Demokratischen Partei Kurdistan/Iran (DPKI) Abdoli, der Deutschlandvertreter Ardalan sowie der kurdische Dolmetscher Nouri Dehkordi, werden mit insgesamt 28 Schüssen ermordet. Zwei weitere Personen, der Wirt und ein Gast, werden schwer verletzt.

Scharafkandi und Dehkordi waren zwei von 500 Namen auf einer aus dem Jahr 1980 stammenden Liste des Ayatollahs Khomenei, die den Tod von den „Feinden des Islam“ forderte. Anlass für den Deutschland-Aufenthalt des Chefs der DPKI, Scharafkandi, sowie der zwei weiteren Repräsentanten der Partei war eine Einladung der SPD zur Sozialistischen Nationale im September in Berlin. Die sozialdemokratische DPKI kämpft für ein autonomes Gebiet innerhalb des Iran, besonders für eine eigene Verwaltung, eigene Schulen und eine eigene Polizei. Die DPKI-Führer erhofften sich von der Berliner Tagung politische Unterstützung für ihr Autonomiebestreben.

Die Täter. Kazem Darabi galt als Drahtzieher des Anschlags auf die kurdisch-iranischen Oppositionellen. Seit Anfang der 80er Jahre lebte er in Deutschland und war Leiter der Hisbollah in Berlin. Vier libanesische Komplizen wurden ebenfalls verurteilt. Bei dem Verfahren gegen die Mykonos-Mörder wurden nicht nur Darabi, sondern auch die iranische Staatsführung als Auftraggeber angeklagt.

Der Prozess. Schon vor Prozessbeginn 1993 versuchte der Iran, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Beispielsweise besuchte der damalige Geheimdienstminister Ali Fallahian auf Einladung des Staatsministers des Kanzleramtes, Bernd Schmidbauer, drei Wochen vor Beginn des Mykonos-Prozesses, Deutschland. Es stellte sich heraus, dass das Treffen ohne Vorwissen von Bundeskanzler Helmut Kohl stattfand. Nicht nur die Bundesanwaltschaft hatte keinen Zweifel daran, dass Fallahian die Mykonos-Morde in Auftrag gegeben hatte, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt sahen in ihm einen Hauptverantwortlichen des iranischen Terrorapparates. Laut Anklage war das Attentat die „…konsequente Fortsetzung der vom iranischen Minister für Nachrichtendienste … beschriebenen …Verfolgungsstrategie gegen die iranische Opposition.“ Wie sich herausstellte, war der Besuch Fallahians in Deutschland ein Versuch, mit dem Staatsminister Schmidbauer über den Mykonos-Prozess zu verhandeln. Schmidbauer hatte dies erst wiederholt abgestritten. Des Weiteren wurden mehrere Zeugen und Verteidiger massiv unter Druck gesetzt und erpresst. Sie bekamen Drohungen gegen das Leben ihrer Familien und gegen ihr eigenes.

Die Bundesanwaltschaft ging davon aus, dass von iranischen Stellen Druck ausgeübt wurde. Doch die Bundesanwälte ließen sich nicht beirren, denn allein die Gefahr weiterer Straftaten der Mullahs gegen Deutsche reiche als Einstellungsgrund nicht aus. Sie beantragten nicht nur gegen Geheimdienstchef Fallahian einen Haftbefehl, sondern teilten der Bundesregierung noch kurzerhand mit, dass sie die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Khomenei und Rafsandschani prüften. Bei beiden bestehe ein Anfangsverdacht, das Massaker im Mykonos Lokal angeordnet zu haben. Nach Udo Steinbach, damaliger Chef des Hamburger Orientinstituts, führte das iranische Regime seit der Machtübernahme Khomeneis einen Heiligen Krieg gegen die nach Autonomie strebenden iranischen Kurden und betrachtete diese als vogelfrei. Ein weiterer erschwerender Punkt bei den Ermittlungen und dem Gerichtsverfahren war die Informationsblockade der Bundesregierung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit sowie gegenüber dem Untersuchungsausschuss. Dies war ein Grund zur Annahme, dass die Bundesregierung mehr über die Verwicklung des Iran in den Mykonos-Prozess wusste und diese nicht preisgeben wollte.

Das Urteil. Viereinhalb Jahre nach dem Mord an den vier Exiliranern verurteilte das Berliner Kammergericht Kazem Darabi und den Libanesen Abbas Rhyael im April 1997 zu lebenslanger Haft. Die drei weiteren libanesischen Komplizen bekamen fünf bis elf Jahre Haft. Außerdem bezichtigten die Richter bei der Urteilsverkündung den Iran des Staatsterrorismus und das Teheraner Mullah-Regime der Anstiftung zu dem Attentat.

Nach dem Prozess. April 2004 wurde eine Gedenktafel für die Opfer der Mykonos-Morde am Anschlagsort in Berlin errichtet. Dies sorgte für Proteste im Iran. Der damalige Bürgermeister Teherans und spätere Präsident Mahmud Ahmadinedschad schrieb in einem Brief an Klaus Wowereit, dass er die Gedenktafel als Beleidigung für den Iran ansieht. Im Oktober 2007 entschied der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, dass Darabi nach 15 Jahren Haft freigelassen wird. Die Abschiebung Darabis in den Iran folgte im Dezember des gleichen Jahres.

20 Jahre nach dem Attentat erinnert sich heute kaum noch jemand an das schreckliche Ereignis in Berlin. Doch das Thema Iran mit der Verknüpfung zur schiitisch-islamistischen Hisbollah ist in Deutschland aktuell. Nicht zuletzt auf Grund der Angst vor einer Atombombe. Die jüdische Iranerin Roya Hakakian thematisiert in ihrem Politthriller „Assassins of the turquoise palace“ den Ablauf des Terroranschlags und den jahrelangen Prozess gegen die Drahtzieher und die „Islamische Republik Iran“.

Text: Deborah Zocher

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