Nato erwägt offenbar Aufrüstung wegen Russlands neuer Atomwaffen

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U.S. strategical bomber B-52 Stratofortress (pictured) lands in Airport Mosnov, Czech Republic, September 13, 2016. Bomber B-52 will have their first flights within the exercise on Sunday during NATO Days and Czech Air Force Days at Mosnov airport on September 17-18. Photo/Jaroslav Ozana (CTK via AP Images)

Russland verstößt offenbar gegen einen zentralen Abrüstungsvertrag für Nuklearwaffen. Nun erwägt die Nato einem Medienbericht zufolge, darauf zu reagieren. Am Ende könnte eine neue Nuklearbewaffnung in Europa stehen.

 Roji Kurd: Lange waren Atomwaffen in Europa nur ein Thema, wenn es um die Abrüstung und den Rückbau russischer und amerikanischer Kapazitäten ging. Doch Russlands aggressive Ukraine-Politik, ein neu entwickelter russischer atomarer Flugkörper und martialische Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zum nuklearen US-Drohpotenzial bringen das Thema wieder auf die Agenda.

inem Medienbericht zufolge gibt es in der NatoÜberlegungen, wie das westliche Militärbündnis auf einen russischen Verstoß gegen ein Abrüstungsabkommen über nukleare Mittelstreckenraketen reagieren könnte.

Nach Informationen des Rechercheverbunds von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR wurde dazu ein als geheim eingestuftes Papier an die Nato-Mitgliedsstaaten übermittelt. Darin ist demnach von der Möglichkeit die Rede, die nukleare Abschreckung der Nato auszubauen.

Zudem gebe es Empfehlungen, mehr Frühwarnsysteme zu installieren, die U-Boot-Abwehr zu verstärken und B-2- und B-52-Bomber häufiger in Europa einzusetzen. Auch die Einsatzbereitschaft von Flugstaffeln in Europa zu erhöhen, die Atombomben abwerfen können, soll genannt werden. Das Geheimpapier soll insgesamt 39 Optionen auflisten. Seine Autoren überlegen dem Medienbericht zufolge außerdem, wie Russland an den Verhandlungstisch gebracht werden könnte.

Putin hält Einhaltung des INF-Vertrags für „diskussionswürdig“

Ein Nato-Sprecher wollte in der Nacht zum Freitag weder die Existenz der Papiere bestätigen, noch sagen, wer es erstellt haben könnte. Er bestätigte lediglich, dass es innerhalb des Bündnisses bereits formelle Gespräche über die Einhaltung des INF-Vertrages und mögliche sicherheitspolitische Folgen für die Nato gegeben habe.

Der Vertrag aus dem Jahr 1987 zwischen den USA und Russland verbietet unter anderem den Bau und den Besitz von landgestützten Nuklearraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern.

Die Vorwürfe, dass sich Russland nicht an das Abkommen hält, sind bereits älter und kommen aus den USA: Wie die „New York Times“ im Februar meldete, soll das russische Militär die Fernlenkwaffe SSC-X-8 zu Ende entwickelt und stationiert haben, die auch Atomwaffen tragen kann. US-Präsident Barack Obama hatte das System in der Entwicklungsphase 2014 als Verstoß gegen das INF-Abkommen bezeichnet.

Im Jahr zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin unter Bezug auf den Vertrag von 1987 erklärt, eine Beendigung der Vereinbarung sei „mindestens diskussionswürdig“. Im Gegenzug zu den US-amerikanischen Vorwürfen, unterstellt auch Russland den Vereinigten Staaten, gegen den INF-Vertrag zu verstoßen.

Ob die Vorwürfe der USA von allen anderen 28 Bündnispartnern geteilt werden, ist unklar. Der Nato-Sprecher verwies in Hinblick auf diese Frage auf die jeweiligen Hauptstädte. Dies deutet darauf hin, dass es bislang keinen klaren Nato-Kurs zu dem Thema geben könnte. Auch eine Reaktion des Bündnisses auf mögliche Verstöße gegen das Abkommen würde eine Konsensentscheidung verlangen.

Mittelstreckenraketen haben eine Reichweite von bis zu 5500 Kilometern. Besonders für die europäischen Nato-Länder war INF ein wichtiger Meilenstein der Nuklearabrüstung. Ende der 1970er Jahre löste die Stationierung solcher atomarer SS-20 Raketen in Osteuropa eine hitzige Debatte über US-amerikanische Atomwaffen in Deutschland aus. Die daraufhin in Deutschland stationierten Pershing-Atomraketen und russische SS-20-Flugkörper wurden im Rahmen des INF-Vertrages Anfang der 1990er Jahre zerlegt und zerstört.

Spiegel

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