Österreichischer Kanzler Kern: Die Türkei in der EU? „Nie im Leben“

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ARCHIV - Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) spricht am 14.06.2017 nach einer Sitzung des SPÖ-Vorstands im Parlament in Wien. (zu dpa «Rüge des Kanzlers für Kurz: Kern will Diplomatie statt Wahlkampf» vom 22.07.2017) Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Roji Kurd: Der Streit zwischen Wien und Ankara verschärft sich. Zu einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Türkei sagt Österreichs Kanzler Kern: „Ihr seid einfach kein Beitrittskandidat.“

Der österreichische Bundeskanzler findet im F.A.Z.-Interview deutliche Worte für die osteuropäischen EU-Länder: Wer die Regeln missachtet, soll weniger Geld bekommen. Auch zur Türkei hat Kern eine klare Meinung.

 Ein EU-Beitritt der Türkei ist für den österreichischen Bundeskanzler Christian Kernschon aus wirtschaftspolitischen Gründen ausgeschlossen. „Europa könnte rein ökonomisch nie im Leben den Beitritt der Türkei verdauen. Wie sollte das funktionieren?“, sagte Kern der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Kern begrüßte es zwar, dass der polnische Präsident „auf Druck der Zivilgesellschaft“ Teilen der Justizreform der national-konservativen Regierung in Warschau die Unterschrift verweigert hat. „Wir haben aber weiter das Problem, dass wir mit Polen und Ungarn zwei Länder haben, die nur eine sehr lose Bereitschaft haben, die europäischen Regeln einzuhalten. Wir sehen auch bei der Frage der Flüchtlingsverteilung, dass man sich da völlig entzieht.“ Das sei ebenso wenig akzeptabel, wie „dass man sagt, es gibt innerhalb von Europa eine illiberale Demokratie oder ein illiberales Gesellschaftsmodell“. Kern sagte der F.A.Z. weiter: „Demokratie muss immer auf Liberalität und Pluralität beruhen. Wir haben die Brandstifter im Haus. Ich bin froh, dass die EU-Kommission hier ganz entschlossen Nein gesagt hat.“

Nach Ansicht des Sozialdemokraten Kern hat die Türkei in Sachen Menschenrechte „nahezu alle roten Linien überschritten“. Der Umgang der türkischen Behörden mit Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Abgeordneten sei „ein Akt diktatorischer Gewalt“. Dem dürfe Europa als Wertegemeinschaft nicht zusehen.

Österreichische und türkische Minister waren zuletzt häufiger aneinandergeraten. Das Thema Türkei nimmt im derzeit laufenden österreichischen Wahlkampf recht viel Platz ein. Nachdem sich Außenminister Sebastian Kurz von der konservativen ÖVPmit einem dezidiert Erdogan-kritischen Kurs profiliert hat, ziehen mittlerweile auch die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzler Kern nach.

Gleichzeitig scheint sich die Menschenrechtslage in der Türkei von Tag zu Tag zu verschlechtern. An diesem Mittwoch hat die deutsche Bundesregierung diplomatischen Einspruch gegen die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner in der Türkei eingelegt. Man habe eine sogenannte Demarche gemeinsam mit Kollegen aus Schweden durchgeführt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

In einem persönlichen Gespräch habe man der türkischen Regierung mitgeteilt, dass man nicht verstehen könne, weshalb Steudtner und weitere Menschenrechtler in Haft genommen wurden, und dass man erwarte, dass „mindestens substantiiert“ dargelegt werde, was ihnen überhaupt zur Last gelegt werde. Die Regierung setze sich mit aller Kraft dafür ein, dass die derzeit neun inhaftierten Deutschen in der Türkei nicht zu Geiseln der türkischen Regierung würden

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