Wer war Dr. Ebdulrehman Qasimlo?

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Helmet Maroufi

Hergestellt von: Helmet Maroufi

Abdul Rahman Ghassemlou wurde am 22.Dezember 1930 in Urmia im iranischen Kurdistan als Sohn eines moslemischen Kurden und einer assyrischen Christin geboren. Möglicherweise waren ihm bereits damit jene religiöse Toleranz und gesellschaftliche Liberalität in die Wiege gelegt, die in späteren Jahrzehnten nicht nur die Menschen in seiner Umgebung, sondern auch führende Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft in Europa und weltweit an ihm schätzten.

1947 ging er zum Studium nach Paris. Nach einem gescheiterten Anschlag auf den iranischen König Mohammad Reza Pahlavi an der Universität Teheran am 4. Februar 1949, hielten iranische Studenten in Paris eine Demonstration gegen den König. Ghassemlou wurde wegen einer Rede auf der Demonstration durch die iranische Botschaft unter Beobachtung gestellt und konnte aus finanziellen Gründen sein Studium nicht fortsetzen. Er bekam jedoch ein Stipendium gestellt und ging nach Prag in der ČSSR. Dort wurde er Mitglied der Studentenorganisation, nahm an den Weltfestspielen der Jugend und Studenten (1949 in Prag, 1951 in Ost-Berlin) teil und bekannte sich als Stalinist. In der ČSSR lernte er seine spätere Ehefrau Helen Krülich kennen. Sie bekamen zwei Töchter namens Mina (1953) und Hiva (1955). Als Mohammad Mossadegh iranischer Ministerpräsident wurde, kehrte Ghassemlou nach seinem Universitätsabschluss 1952 in den Iran zurück. Er begann dort mit seinen politischen Arbeiten, indem er die DPK-I wieder organisierte und sie von der Bevormundung der Tudeh-Partei loslöste (1955). 1959 ging er für ein Jahr in den Irak, um an einer Universität in Bagdad Kurdische Geschichte zu lehren.

Am 13. Juli 1989 wurden in der österreichischen Hauptstadt Wien der Vorsitzende der Demokratischen Partei Kurdistan- Iran, Dr. Abdurrahman Qasimlo von iranischen „Diplomaten“ bei einer „Friedensverhandlung“ hingerichtet. Wir gedenken seinem 20. Todestag.

Ghassemlou kam als Kind einer reichen feudalen kurdischen Familie in Urmia zur Welt. Sein Vater Mohammed Ghassemlou stammte aus dem Eşiret der Schikak, während seine Mutter Nana Jan Timsar – die dritte Ehefrau seines Vaters – eine konvertierte assyrische Christin war. Nach seiner Schulbildung in Urmia ging er zur Weiterbildung nach Teheran. Er wurde zum Zeitzeugen der Republik Mahabad und wurde Mitglied der DPK-I.

Als Mann der Wissenschaften, der Diplomatie und als überzeugter Befürworter politischer statt militärischer Lösungen war Ghassemlou nach eigenem Bekunden und dem Urteil seiner Umgebung nur zu kämpfen bereit, wenn es ihm und seinem Volk aufgezwungen wurde. Seine Haltung prägte denn auch das bis heute im Wesentlichen gültige, in den 1970er Jahren erarbeitete Parteiprogramm. Es stellt die Einhaltung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung aller Religionen und aller iranischen Minderheiten, das Eintreten gegen die Diskriminierung der Frauen, wirtschaftliche und soziale Entwicklung ebenso ins Zentrum wie die Forderung nach Autonomie der Kurden mit anerkannten politischen, sozialen und kulturellen Rechten in einem demokratischen Iran.

Nach dem Sturz der Diktatur des Schah und der Revolution Ayatollah Khomenis 1979 gab es in diesem Sinne für kurze Zeit trügerische Hoffnungen – bis Ghassemlou von diesem neuen Diktator noch im selben Jahr als „Feind Gottes“ und die Kurden als „Söhne des Teufels“ gebrandmarkt wurden. Auch der erste Golfkrieg zwischen Irak und Iran von 1980 bis 1988 traf vor allem die Kurden an der Grenze mit größter Härte. Ihre Dörfer wurden zerstört, die Bewohner als Vaterlandsverräter stigmatisiert und in die Flucht getrieben.

Am Ende dieses Krieges war der Iran ausgeblutet. Khomeni starb am 4.Juni 1989, nicht ohne zuvor neben Salman Rushdie auch gegen Ghassemlou eine Fatwa – einen Tötungsauftrag gegen Belohnung – verfügt gehabt zu haben.

Im Iran stand ein Wiederaufbau an, im Zuge dessen die Kurden neuerlich Hoffnung auf eine Verhandlungslösung schöpften und auch schon Ende 1988 entsprechende Signale aus Teheran erhielten. Erste Gespräche Ghassemlous mit seinen späteren Mördern fanden mit scheinbar positivem Ausgang im Dezember 1988 und im Jänner 1989 in Wien statt. Sie wurden am 13.Juli 1989 blutig beendet. Das war übrigens genau der 40.Tag nach dem Sterbetag Khomenis.

Dr. Qasimlo war der gebildete Wortführer der Kurden im Iran und ein Visionär für die kurdische Revolution im Iran. Mit seiner Ausbildung an den Universitäten von Prag und Paris, lehrte Qasimlo bis 1970 an der Universität Prag Ökonomie. Als Dr. Qasimlo 1973 zum Vorsitzenden der DKP-I wurde, kehrte er mit der iranischen Revolution nach Kurdistan zurück und führte dort rund 10 Jahre bis zu seiner Ermordung den Befreiungskampf der Kurden im Iran an

Zum politischen Menschen und zum Kämpfer für die elementaren Rechte des unterdrückten und verfolgten kurdischen Volkes wurde er bereits im Alter von noch nicht einmal 15 Jahren. Wie viele andere jungen Kurden schloss er sich der im August 1945 gegründeten Demokratischen Partei Kurdistans im Iran an. Wenige Monate später konnte er im Jänner 1946 die Gründung der einzigen, kurdischen Republik der Neuzeit in Mahabad miterleben. Deren grausames Ende folgte jedoch kaum zwölf Monate später im Dezember desselben Jahres nach dem Rückzug der Sowjetunion aus dem kurdischen Nordiran. Mit Unterstützung Großbritanniens und der USA überrannte die Armee des Schah den Stadtstaat, nahm dessen Präsidenten Qazi Mohammed fest und hängte ihn mit dessen Getreuen öffentlich im März 1947.

Fünf Jahre später und nach dem Sturz von Mossadegh ging er wieder in die ČSSR, wo er 1962 in Prag seinen Doktor der Ökonomie machte. Dort schrieb er auch auf Tschechisch das Buch Kurdistan and The Kurds, was später in mehrere Sprachen übersetzt wurde. In diesem Buch gab er eine marxistisch-leninistische Sicht auf die Kurden ab. Der Einmarsch von Truppen des Warschauer-Paktes zur Beendigung des Prager Frühlings bedeutete für Ghassemlou die Abkehr vom Kommunismus weg hin zur Sozialdemokratie. Bis 1970 lehrte er dort an der Universität in Prag und kehrte dann in seine Heimat zurück. Dort arbeitete er in seinem Beruf und wurde 1971 wurde er zum Vorsitzenden der DPK-I gewählt. Sein politischer Leitsatz war: Demokratie für den Iran, Autonomie für Kurdistan. Zwischen 1975 und 1978 hielt er sich wieder in Prag und Paris auf. Danach kehrte er in den Iran zurück, um sich der Bewegung gegen den Schah (Islamische Revolution) anzuschließen. Dabei unterstützte er Ruhollah Chomeini, weil er glaubte, dass Chomeini den Schah stürzen könnte. Nebenbei modernisierte Ghassemlou die Partei, verjüngte die Kader und führte die Partei nach einigen Jahrzehnten aus dem Untergrund raus und hielt im März 1979 in Mahabad ein politisches Meeting, indem er erklärte, dass er bereit sei mit dem neuen Regime zusammenzuarbeiten, wenn diese den Forderungen der Kurden nachkäme. Der Sturz der Monarchiewurde von den Kurden im Iran als eine Chance auf mehr Rechte und Selbstbestimmung empfunden. Daraufhin setzten sich die DPK-I und die Komalah mit der neuen Regierung in Teheran in Verbindung. Im August 1979 wurde ein neues Parlament gewählt, das eine neue Verfassung ausarbeiten sollte. Ghassemlou gewann ein Mandat, konnte aber nicht an der Eröffnung des Parlaments teilnehmen, weil es in den kurdischen Gebieten zu Kämpfen gegen die Truppen des neuen Regimes kam. Das neue Regime hatte nämlich kein Interesse an einer Autonomie der Kurden und hatte nur Zeit rausgeschlagen. In den folgenden langen Kämpfen konnten die Kurden große Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. In dieser Situation wollte Ghassemlou noch mal mit dem Regime verhandeln, wurde aber wieder abgewiesen. Die Regierungstruppen konnten nach und nach die kurdischen Kämpfer aus vielen Städten rausdrängen. Die DPK-I zog sich ins Grenzland zum Irak zurück und konnte auf die Hilfe der irakischen Regierung zählen. Während des Ersten Golfkriegs sollte die DPK-I auf Seiten Saddam Husseins kämpfen und einen kurdischen Staat im Iran gründen. Doch Ghassemlou verweigerte sich, weil der Irak selber ein Problem mit seiner kurdischen Minderheit im Norden hatte und diese sogar mit Giftgas bekämpfte. Außerdem wollte Ghassemlou nur eine kurdische Autonomie innerhalb eines demokratischen Irans.

Nach zwei Vermittlungsgesprächen zwischen Vertretern Teherans und einer Delegation Kurden im Dezember 1988 in Wien kamen bei einem erneuten Treffen am 13. Juli 1989 alle drei Mitglieder der kurdischen Delegation durch Mord ums Leben. Die mit iranischen Diplomatenpässen nach Wien eingereisten „Verhandlungspartner“ ermordeten Generalsekretär Ghassemlou und seine Begleiter am Verhandlungstisch. Die Tatverdächtigen tauchten in der iranischen Botschaft unter und konnten nach massivem Druck Teherans auf die österreichischen Behörden unbehelligt ausreisen. Einer von ihnen – ein hoher Funktionär der Revolutionsgarden (Pasdaran) – wurde sogar unter Polizeischutz zum Wiener Flughafen eskortiert. Ghassemlou wurde auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise begraben. 1991 klagte seine Witwe den österreichischen Staat wegen seiner Verfehlungen an, doch die Klage wurde 1992 abgewiesen.

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