Der G7-Gipfel der Stolpersteine

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Streitthemen gibt es genug beim G7-Gipfel in Taormina: Klima, Handel, Migration. Und US-Präsident Trump ist auf Konfrontationskurs. Ein Erfolg wäre schon, wenn der große Krach ausbleibt. Aus Taormina Barbara Wesel.

„Das ist das schwierigste G7-Treffen seit Jahren“, sagt EU-Ratspräsident Donald Tusk zum Auftakt des Treffens. Die Sonne leuchtet über der Bucht von Taormina, die Küste Siziliens zeigt sich von ihr schönsten Seite. Aber Tusks Stimmung ist gedämpft. Angesichts der internationalen Krisen, des Krieges in Syrien, der Raketentests in Nordkorea, der unsicheren Lage in der Ukraine, gelte die Warnung: „Wenn unsere Gruppe nicht entschlossen und gemeinsam handelt, dann könnte die Situation weltweit aus dem Ruder laufen.“

Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sitzen quasi als Gäste mit am Tisch. Und sie haben am Donnerstag in Brüssel ein erstes Treffen mit US-Präsident Donald Trump erlebt, das wenig Anlass bot zu Optimismus für das Treffen der sieben wichtigsten Industriestaaten in Taormina. Es gebe unterschiedliche Positionen zum Klimawandel und zum Handel, räumt Tusk ein. Lediglich was Russland angeht, erwartet der EU-Ratspräsident Einigkeit. Er gehe davon aus, dass der Konsens in der Ukrainefrage und den Sanktionen gegenüber Russland erhalten bleibe.

Schon bei der Flüchtlingskrise sieht das wohl anders aus. Sie liegt den italienischen Gastgebern besonders am Herzen. Denn nur einige Kilometer südlich vom Gipfelort Taormina kommen regelmäßig die Boote mit den geretteten Flüchtlingen aus Nordafrika an Land. Nur jetzt, während des Gipfeltreffens, werden sie aus Sicherheitsgründen umgeleitet.

EU-Kommissionspräsident Juncker warnt davor, das Thema Flüchtlinge zu „regionalisieren“ und damit auf die betroffenen Länder abzuschieben. Es sei ein globales Problem und müsse auf der G7-Tagesordnung bleiben. Trump wiederum hatte am Donnerstag beim NATO-Treffen Kritik an der anhaltenden Einwanderung geübt – ein Hinweis darauf, dass er Lösungen als alleinige Verantwortung der Europäer sieht.

Deutschland – „böse“ oder „schlecht“?

„Hier treffen vier neue Regierungschefs zum ersten Mal gemeinsam aufeinander“, erklärt Juncker die besondere Situation bei diesem Gipfeltreffen und meint damit den Franzosen Emmanuel Macron, die Britin Theresa May, den Italiener Paolo Gentiloni und den US-Amerikaner Donald Trump. Juncker bemüht sich, die Verärgerung zu dämpfen, die Trump am Vortag beim ersten Gespräch mit den EU-Vertretern hinterlassen hatte. Indirekt allerdings bestätigte er damit, dass der US-Präsident über Deutschland und dessen Handelsüberschuss gesagt hatte: „The Germans are bad, very bad“. Das war teilweise mit: „Die Deutschen sind böse, sehr böse“ übersetzt worden.

Er sei kein Spezialist im Englischen, spöttelte darauf Juncker in Taormina, aber „bad“ heiße nicht böse, „schlecht“ reiche. Und Trump habe die Bemerkung auch nicht in „aggressiver Form“ gemacht. Was an der Sache nichts ändert: Donald Trump sieht Deutschland handelspolitisch als Gegner. Was die Aufgabe für Bundeskanzlerin Angela Merkel in Taormina extrem schwierig macht: Es ist ihr zwölfter G7-Gipfel, sie kennt das diplomatische Spiel bei diesen Treffen. Und sie will alles versuchen, um die Gemeinsamkeit der westlichen Staatengruppe zumindest an der Oberfläche zu erhalten. Sie wird all ihre Erfahrung dafür brauchen.

Im Mittelpunkt: Donald Trump

Die Neuen beim Gipfel bringen sehr unterschiedliche Interessen ein. Die Sorgen der britischen Premierministerin Theresa May drehen sich um Terror, den Brexit und die anstehenden Wahlen. Italiens Paolo Gentiloni ist eine Übergangsfigur. Emmanuel Macron muss seine internationale Position noch definieren, sucht aber erkennbar den Schulterschluss mit Merkel. Der Krisencharakter des Taormina-Gipfels geht allein auf Donald Trump zurück, seine Unberechenbarkeit und seine „America First“-Politik.

In Sachen internationaler Handel bleiben die Haltungen unversöhnlich. Trump will mehr Protektionismus und die übrigen G7-Partner wollen den Freihandel erhalten. Schlimmstenfalls könnte darum die Abschlusserklärung in Taormina sogar noch hinter die nichtssagenden Formulierungen des letzten G7-Finanzministertreffens zurückfallen.

Sorge gibt es auch über die weitere US-amerikanische Teilnahme am Pariser Klimaabkommen. Donald Trump sieht es als Hindernis für das Wirtschaftswachstum in den USA, will allerdings erst nach Taormina über den möglichen Rückzug aus dem Vertrag entscheiden. Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron hat bereits in seinem ersten Vier-Augen-Gespräch mit Trump versucht, ihn davon zu überzeugen, dass das Abkommen global wichtig ist. Das Gespräch sei „offen und direkt“ gewesen, hieß es hinterher – das ist die diplomatische Formel für „Es gab Streit“.

Abschlussziel: Minimalkonsens

Hinter den Kulissen feilen die Sherpas, die Berater der Regierungschefs, weiter an den Formulierungen. Die gemeinsame Schlusserklärung haben sie bereits von 32 Seiten beim vergangenen G7-Gipfel auf sechs Seiten heruntergeschrumpft. Der Vertreter der USA hat nur an einem der Vorbereitungstreffen teilgenommen, die Chefdiplomaten der anderen G7-Länder stochern im Nebel in dem Versuch, wenigstens einen Minimalkonsens zu erhalten.

Wenn ein offener Bruch und erkennbarer Streit zwischen den USA und den Partnern vermieden werden könne, sei das schon ein Erfolg, hieß es aus Kreisen der Bundesregierung vor dem Treffen in Taormina. Am Ende können bestenfalls Formelkompromisse stehen. Fast schon verzweifelt wirkt dabei der Versuch von Gastgeber Paolo Gentiloni, zur Begrüßung der Gäste einen „guten Geist von Taormina“ angesichts der Schönheit des Ortes zu erhoffen.

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